1905

Verjüngungskur à la Südwest

Generationenwechsel auf Reichs- und auf Landesebene

Für den Jenaer Parteitag des Jahres 1905 hat sich der überalterte SPD-Reichsvorstand um August Bebel und Paul Singer eine Verjüngungskur verordnet: Dezidiert will man nun endlich auch einen Vertreter der jüngeren Generation in das oberste Parteigremium aufnehmen. Mit dem gebürtigen Mannheimer Hermann Müller und dem gebürtigen Heidelberger Friedrich Ebert stehen alternativ gleich zwei Badener zur Auswahl. In der Kampfabstimmung obsiegt Ebert gegen Bebels Favoriten Müller. Auf dem Mannheimer Parteitag im Folgejahr soll dann aber auch Müller der Einzug in den Parteivorstand gelingen. Als „junge Garde“ des Parteivorstands werden die beiden in der Folgezeit zahlreiche innerparteiliche Neuerungen durchsetzen. 

Im deutschen Südwesten hat sich unterdessen ebenfalls ein Generationenwechsel angebahnt: 1903 ist August Dreesbach aus dem badischen Landtag ausgeschieden. Die Mehrfachbelastung durch seine Mandate auf Reichs-, Landes- und kommunaler Ebene sowie durch seine Parteifunktionen drohte dem bald sechzigjährigen Nestor der badischen Sozialdemokratie über den Kopf zu wachsen. Mit dem Parteiredakteur Wilhelm Kolb und dem Rechtsanwalt Ludwig Frank treten zwei ausgesprochene Pragmatiker das politische Erbe im badischen Ständehaus an. Nach Dreesbachs überraschendem Tod im Herbst 1906 zieht der junge Frank auch in den Reichstag ein und macht sich dort rasch einen Namen als glänzender Redner. 

Der SPD-Reichsvorstand mit Friedrich Ebert und Hermann Müller im September 1909 

1908 stirbt auch Karl Kloß, der langjährige Führer der württembergischen Sozialdemokratie. Das Machtvakuum, das dadurch in den Reihen der Landespartei entsteht, wird von Karl Hildenbrand und dem „Tagwacht“-Redakteur Wilhelm Keil gefüllt. Der einst radikale Parteijournalist hat sich seit seinem Einzug in den württembergischen Landtag im Jahr 1900 rasch zum Pragmatiker und Reformer gewandelt: Er will nun auch Kleinbauern und Handwerker für die Sozialdemokratie gewinnen.