1933

Gefährliche Aufgabe – gefährdeter Status

Die Arbeit der Grenzsekretariate

Im Dünndruckverfahren hergestellte sozialdemokratische Tarnschrift aus dem Jahr 1934 

Am 22. Juni 1933 wird die SPD offiziell verboten. Keine zwei Wochen später formiert sich in Prag der Exilvorstand der „Sopade“, wie sich die in die Illegalität getriebene Sozialdemokratische Partei Deutschlands fortan nennt. Unter widrigen Bedingungen machen sich die Heimatvertriebenen daran, rund um das Deutsche Reich ein Netz von „Grenzsekretariaten“ aufzubauen. Diese Sekretariate erfüllen zweierlei Aufgaben zugleich: Sie dienen als Koordinationszentralen für die illegale Arbeit der im Land verbliebenen Genossen, aber auch als erste Anlaufstellen für all jene, die in der folgenden Zeit noch das Land verlassen müssen. 

Zum Sopade-Grenzsekretär für den gesamten deutschen Südwesten – Baden, Württemberg, bayrische Pfalz und Hessen – wird der langjährige badische SPD-Landesvorsitzende Georg Reinbold bestimmt, dem im März die Flucht über die elsässische Grenze geglückt ist. Doch auch ein versierter und bestens vernetzter Organisator wie Reinbold hat mit schier unüberwindbaren Schwierigkeiten zu kämpfen: Die französischen Behörden machen den heimatvertriebenen Nazi-Gegnern das Leben sehr schwer. Der beständige Kampf um Aufenthaltsgenehmigungen und Arbeitserlaubnisse lässt Reinbold schon bald von Straßburg ins Saargebiet ausweichen. Als dort am Jahreswechsel 1934/35 die Bevölkerung für eine „Heimkehr“ ins Nazi-Reich stimmt, heißt es nach Luxemburg weiterziehen. Angesichts versiegender Geldmittel muss er bei alledem nicht nur für die im Grenzsekretariat anlandenden Flüchtlinge, sondern auch für seinen eigenen Lebensunterhalt sorgen. 

Neben Reinbolds Grenzsekretariat unterhält die Sopade auch einen Außenposten in der Schweiz: Von St. Gallen aus hält der frühere Stuttgarter Parteisekretär Erwin Schoettle den Kontakt zu den Genossen im Süden Badens und Württembergs aufrecht und versorgt sie über Konstanz mit illegalem Schriftenmaterial. Eine enge Zusammenarbeit mit Reinbold wäre dabei dringend geboten. Indes stößt Schoettles Engagement für die sektiererische linke Widerstandsgruppe „Neu Beginnen“ bei dem altgedienten Parteisoldaten Reinbold auf Unverständnis, das Verhältnis zwischen den beiden so ungleichen Männern ist und bleibt gespannt. 

Auch die SAP organisiert ihren Widerstand über Grenzsekretariate. Für den deutschen Südwesten ist bei der kleinen Kaderpartei bis zum Herbst 1936 der junge Max Diamant zuständig, bevor er schließlich als Verbindungsmann seiner Partei nach Barcelona abgeordnet wird. 

Schreiben Georg Reinbolds an die Sozialistische Arbeiter-Internationale vom Juli 1933