Als Maier im Frühjahr 1953 im Bundesrat mit den fünf Stimmen Baden-Württembergs für den EVG-Vertrag sowie für den von Adenauer ausgehandelten „Generalvertrag“ mit den Alliierten votiert, steht die erste Stuttgarter Kabinettskrise ins Haus und die Sozialdemokraten beginnen zu ahnen, dass es ein strategischer Fehler war, auf den Ministerpräsidentensessel zu verzichten. Da man freilich die Regierungsverantwortung im Land nicht der CDU überlassen möchte, hält die Südwest-SPD trotzdem an der Koalition fest – für Viktor Renner Grund genug, um unter Protest von seinem Amt als Justizminister zurückzutreten. Ministerpräsident Maier übernimmt das Ressort kommissarisch, so dass nun in der Regierung zu allem Überfluss ein numerisches Gleichgewicht zwischen SPD und FDP/DVP herrscht.
Der Wille, die Landes-CDU – koste es, was es wolle – von der Macht fernzuhalten, wird nicht zuletzt durch das Agieren der Christdemokraten in der baden-württembergischen Verfassungsdebatte beflügelt, das ein völlig anderes Verständnis des föderalistischen Systems wie der Rolle des Staats insgesamt offenbart. Die landesweite Einführung der südwürttembergischen „Bekenntnisschulen“ qua Landesverfassung kann die SPD zwar abschmettern, doch muss sie zähneknirschend zugestehen, dass diese in Südwürttemberg weiterhin als Regelschulen firmieren – Auftakt zu einem fast anderthalb Jahrzehnte andauernden Konflikt in der Landespolitik. Immerhin aber können die Sozialdemokraten letztlich sowohl die stufenweise Einführung der Schulgeld- und Lernmittelfreiheit sowie die Bestimmung durchsetzen, dass der Ministerpräsident bei Bundesratsentscheiden künftig nicht mehr – wie geschehen – von Mehrheitsentscheidungen des Kabinetts abweichen darf.
Schon bei der Verabschiedung der baden-württembergischen Landesverfassung im Herbst 1953 allerdings hat die Bestimmung über Bundesratsvoten für die SPD selbst vorerst an Wert verloren: Unter dem Eindruck der Bundestagswahl vom September 1953, bei der die CDU in Baden-Württemberg über 52 Prozent der Stimmen erhalten und damit sogar noch ihr fulminantes Bundesergebnis übertroffen hat, ist Ministerpräsident Maier zu der Auffassung gelangt, dass die Christdemokraten nicht länger von der Regierungsbank ferngehalten werden dürfen. Seit Anfang Oktober ist deshalb nun eine von dem Christdemokraten Gebhard Müller geführte „Allparteienkoalition“ aus CDU, SPD, FDP/DVP und Bund der Heimatvertriebenen im Amt, die auch über die Landtagswahl des Jahres 1956 hinweg Bestand haben wird.