Trotz ihrer Anfangserfolge steht die württembergische Regierungskoalition unter keinem guten Stern: Die Spaltung der Arbeiterbewegung und die Angriffe der „bürgerlichen“ Parteien auf die SPD machen eine gemeinwohlorientierte Politik fast unmöglich. Als sich die Koalitionspartner der SPD nach der Landtagswahl vom Juni 1920 rigoros gegen eine Regierungsbeteiligung der USPD sperren, ist das mit ihnen geschmiedete Bündnis damit auch in Württemberg gescheitert. Zentrumspartei und DDP bilden nun ein von der SPD toleriertes Minderheitskabinett.
Wilhelm Keil berichtet in der Rückschau, es seien nicht nur die politischen Differenzen mit den Koalitionspartnern gewesen, die den Gang in die Opposition forciert hätten. Vielmehr habe sich so mancher Genosse generell „unbehaglich in der Rolle der Regierungspartei gefühlt“. Zusammen mit Otto Steinmayer, dem neuen Vorsitzenden der württembergischen SPD, macht Keil sich in der Folgezeit für einen Wiedereintritt in die Landesregierung stark.
Im Fahrwasser der reichspolitischen Entwicklungen gehört Keil seit Ende 1921 tatsächlich zunächst wieder dem württembergischen Kabinett an, diesmal im Amt des Arbeitsministers. Doch auch dieser zweite Anlauf zu einer Stuttgarter Neuauflage der „Weimarer Koalition“ scheitert: Zu groß ist letztlich der Dissens vor allem auf dem Gebiet der Sozialpolitik. Als Zentrumspartei und DDP der SPD im Frühjahr 1923 das Innenressort verweigern, ziehen sich die Sozialdemokraten erneut aus dem Kabinett zurück.
Im Zuge der Verdrängung des SPD-Vorsitzenden Hermann Müller von der Regierungsspitze hat seit dem Sommer 1920 auch auf Reichsebene ein massives sozialpolitisches Rollback eingesetzt. Seit dem Herbst 1923 werden der Reichsregierung auch keine sozialdemokratischen Minister mehr angehören. Die Ausgrenzung der mit Abstand größten deutschen Partei verstärkt die Legitimitätskrise der Republik und öffnet weiterem Sozialabbau Tür und Tor.
Dass mit dem „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ schon zu Jahresbeginn 1924 eine überparteiliche Republikschutzformation gegründet werden muss, dokumentiert, wie brüchig die junge deutsche Demokratie ist. Nicht von ungefähr nehmen Sozialdemokraten in dieser Organisation führende Positionen ein – allen voran der neue badische Landesvorsitzende Georg Reinbold oder der junge „Tagwacht“-Redakteur Kurt Schumacher. Auch Fritz Bauer, der spätere Hauptankläger der Frankfurter Auschwitz-Prozesse, ist in seiner Heimatstadt Stuttgart schon in jungen Jahren an vorderster Stelle im Reichsbanner aktiv.
Die württembergische Landtagswahl vom Mai 1924 beschert den Parteien der Weimarer Koalition weitere Einbußen, ja mehr noch: zum ersten Mal seit Kriegsende erbringt das Wählervotum für sie keine Mehrheit mehr. Die Zentrumspartei verhandelt erst gar nicht mit der SPD, sondern geht schnurstracks ein Regierungsbündnis mit dem Württembergischen Bauern- und Weingärtnerbund und der Württembergischen Bürgerpartei ein, einem Regionalableger der antisemitischen DNVP. Mit dem Deutschnationalen Wilhelm Bazille avanciert nun eine der umstrittensten Persönlichkeiten der württembergischen Politszene zum Regierungschef dieses „Bürgerblocks“ und zum Staatspräsidenten des Landes.