1996

Gute Bilanz – schlechte Wahlergebnisse

Zurück in der Opposition

In den Landtagswahlkampf des Jahres 1996 zieht die baden-württembergische SPD unter ungünstigen bundespolitischen Voraussetzungen: Nach Engholm-Rücktritt und erkennbaren Querelen innerhalb der neuen Führungstroika Scharping – Schröder – Lafontaine hat die Bundespartei die Bundestagswahl 1994 trotz leichter Zugewinne abermals an die CDU mit ihrem Dauerkanzler Kohl verloren. In der Konsequenz hat Oskar Lafontaine im Herbst 1995 auf dem Mannheimer Parteitag den Parteivorsitzenden Rudolf Scharping in einem Überraschungscoup gestürzt. 

Hausgemachte Fehler gesellen sich hinzu. So bedarf es erst einer monatelangen Machtprobe mit Ulrich Maurer, bevor Dieter Spöri schließlich erneut zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl nominiert wird. Wahlkampfstrategisch manövriert sich die Südwest-SPD zudem in eine Falle: Einerseits trifft sie eine Koalitionsaussage zugunsten der Grünen, andererseits will sie mit Spöris Wirtschaftskompetenz in der viel beschworenen politischen Mitte punkten. Mit euroskeptischen Aussagen und der Forderung nach Zuzugsbeschränkungen für Aussiedler vertritt sie freilich teilweise auch Standpunkte, die denen der „Republikaner“ gefährlich nahe kommen. 

Die Quittung für diesen unklaren Kurs folgt auf dem Fuß: Mit wenig mehr als 25 Prozent erzielt die SPD ihr mit Abstand schlechtestes Ergebnis seit Gründung des Südweststaats. Die CDU wendet sich nun wieder der FDP zu, der Ministerpräsident heißt weiterhin Teufel. Der verheerende Wahlausgang läutet zugleich das Ende des Führungstandems Ulrich Maurer – Dieter Spöri ein. Spöri übernimmt die politische Verantwortung für die Niederlage und tritt von allen seinen Ämtern zurück. Maurer bleibt zwar weiterhin Fraktionsvorsitzender, muss sich aber im Folgejahr einer Kampfkandidatur um den Parteivorsitz stellen, aus der er mit einem Stimmenanteil von 61 Prozent geschwächt hervorgeht. 1998 dann erhält Maurer bei der Wahl zum Vorsitzenden der Landtagsfraktion nur eine Stimme mehr als sein Gegenkandidat Dieter Puchta. 

Bei der Bundestagswahl im Herbst 1998 überwindet die SPD nicht nur erstmals seit fast zwei Jahrzehnten wieder die 40-Prozent-Marke. Mit einem Abstand von fast sechs Prozent zur CDU ist sie darüber hinaus zum ersten Mal seit der „Brandt-Wahl“ 1972 wieder stärkste Partei. Nach 16 Jahren in der Opposition kann nun eine rot-grüne Koalition unter Kanzler Gerhard Schröder gebildet werden. Mit Justizministerin Herta Däubler-Gmelin, Arbeitsminister Walter Riester, Wirtschaftsstaatsekretär Siegmar Mosdorf und Staatsminister Hans-Martin Bury gehören vier Regierungsmitglieder dem baden-württembergischen Landesverband an. 

Das Beispiel des langjährigen Waiblinger SPD-Bundestagsabgeordneten Hermann Scheer dokumentiert eindrucksvoll, dass sich aber auch ohne Regierungsamt trefflich Politik im großen Maßstab gestalten lässt. Seit den 1980er Jahren hat sich Scheer weit über die Grenzen seiner Partei und Deutschlands hinaus einen Namen als Experte für erneuerbare Energien gemacht. Schon das Stromeinspeisungsgesetz von 1990 hätte ohne seinen Einsatz nie eine parlamentarische Mehrheit gefunden. Als Ko-Autor des 100.000-Dächer-Programms, als Initiator des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und als Gründungsvater der International Renewable Energy Agency kann er unter Rot-Grün entscheidende Weichenstellungen zugunsten nachhaltiger Energien vornehmen.