1947

Im Zeichen des Nachkriegskonsenses

Sozialdemokraten in den Landesregierungen

Über den Aufbau der Parteiorganisation hinaus sind Ulrich und Zimmermann unmittelbar nach Kriegsende auch zentrale landespolitische Aufgaben zugefallen:  

Als Landesdirektoren des Inneren zeichnen sie seit Juni 1945 für den Erhalt von Sicherheit und Ordnung verantwortlich – der eine in Württemberg, der andere in Nordbaden als dem deutlich kleineren der beiden Landesbezirke. Als sich im September 1945 eine provisorische Allparteienregierung unter dem Liberalen Reinhold Maier bildet, übernimmt Ulrich die Verantwortung für die Innenpolitik des gesamten Landes, während der ehemalige württembergische SPD-Vorsitzende Otto Steinmayer fortan für das Post- und später das Verkehrswesen zuständig ist. Das Finanzressort wird seit Anfang 1946 von dem Mannheimer Verwaltungsjuristen Fritz Cahn-Garnier geführt, der die Rassenverfolgung der Nazis zuletzt in einem Versteck überlebt hat. 

Bei der württembergisch-badischen Landtagswahl vom November 1946 bleibt die SPD zur großen Enttäuschung mit knapp 32 Prozent der Stimmen um mehr als sechs Prozentpunkte hinter der CDU zurück. Im neuen Landeskabinett kann sie für sich gleichwohl Schlüsselfunktionen aushandeln: Ulrich und Steinmayer bleiben für Inneres und Verkehr zuständig, der bisherige Karlsruher Oberbürgermeister Hermann Veit verantwortet fortan den wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes, und der Schorndorfer Rathauschef Gottlob Kamm steuert den mittlerweile angestoßenen Entnazifizierungsprozess. 

Landesparteitag der südbadischen SPD im Oktober 1948 

Nach der 1949 vollzogenen Staatsgründung wird die zweite württembergisch-badische Landtagswahl im Herbst 1950 bereits von heftigen Diskussionen um die Westbindung und Wiederaufrüstung der Bundesrepublik dominiert; die Kanzlerpartei CDU, aber auch die KPD verlieren massiv an Zuspruch. Mit einem Stimmenanteil von 33 Prozent avanciert die SPD nun zur mit Abstand stärksten Partei. Damit ist zugleich auch das Ende der Allparteienkabinette eingeläutet: SPD und liberale DVP können nun gemeinsam eine Regierung bilden. Durch geschicktes „Aussitzen“ kann die wesentlich kleinere DVP abermals den Ministerpräsidentensessel für sich erobern, während sich die SPD mit dem Amt des Stellvertretenden Ministerpräsidenten für Hermann Veit begnügt. „Der Maier ist tot, es lebe der Maier!“ höhnt das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Immerhin aber stellt die SPD nun vier von sieben Ministern: Neben Veit als Wirtschafts- und Ulrich als Innenminister gehören dem dritten Kabinett Maier auch der Gewerkschafter David Stetter als Arbeits- und der Esslinger Pfarrer Gotthilf Schenkel als Kultusminister an. 

Ausgerechnet in der sozialdemokratischen Diaspora Württemberg-Hohenzollerns stehen Sozialdemokraten an den Spitzen der meisten nach Kriegsende provisorisch eingerichteten Behörden. Eingesetzt von der Besatzungsmacht, wirkt Carlo Schmid dort seit dem Oktober 1945 als Präsident eines zunächst als Provisorium gedachten Staatssekretariats, dem erst seit Ende 1946 die Funktion einer Landesregierung mit eingeschränkten Kompetenzen zukommt. Schmid selber verantwortet das Justiz- und anfangs zusätzlich das Kultusressort, das Innenressort wird von seinem Genossen Lothar Roßmann und später vom bisherigen Tübinger Oberbürgermeister Viktor Renner geführt.