1988

Nach den großen Neins die großen Jas

Die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie

Den Landtagswahlkampf des Jahres 1988 bestreitet die Südwest-SPD unter dem Motto „Ja zum neuen Fortschritt!“ Die ökologische Ausrichtung der Landespartei in der Eppler-Ära wird aufgegriffen, aber in einen anderen politischen Rahmen gestellt: Die neue Parteiführung setzt eine moderne Wirtschafts- und Technologiepolitik auf die Agenda, die die sozialen und ökonomischen Interessen eines Industrielands mit Umweltschutz und qualitativem Wachstum verbindet. Neben dem Nein zum Marsch in den Atom- und Plutoniumstaat stehen demnach jetzt auch deutliche Jas: zu Sonnenenergie und Wasserstoff, zur Supraleitung und zur Mikroelektronik. Baden-Württemberg soll gezielt zur ökologischen Modellregion Europas ausgebaut werden. In diesem Zusammenhang wird nicht zuletzt die wirtschafts- und finanzpolitische Kompetenz des Spitzenkandidaten Spöri herausgestrichen, der beharrlich die hohe Verschuldung des Landes anprangert. 

Der Urnengang im März 1988 erbringt für die SPD dennoch leichte Verluste, die CDU erringt abermals – wenn auch nur knapp – mehr als die Hälfte der Mandate. Spöri wechselt nun vom Bundestag in den Landtag und löst Lang in der Funktion des Fraktionsvorsitzenden ab. Damit ist der Generationenwechsel auf Landesebene abgerundet. 

Herta Däubler-Gmelin nach ihrer Wahl zur stellvertretenden SPD-Bundesvorsitzenden im September 1988 

Doch von den „Vorvätern“ bis zu den „Enkeln“: auch in der SPD, die sich seit Urzeiten die Emanzipation der Frau auf die Fahnen geschrieben hat, wird Politik bislang weitgehend in trauten Männerrunden gemacht. Angespornt durch das Vorbild der Grünen, will man das nun endlich ändern: Im Sommer 1988 führt die SPD auf ihrem Parteitag in Münster eine verbindliche Frauenquote von zunächst 33,3 Prozent für Parteiämter und -funktionen ein, die sich nach zehn Jahren auf 40 Prozent steigern soll. Auf demselben Parteitag wird mit der Tübinger Bundestagsabgeordneten Herta Däubler-Gmelin erstmals in der nunmehr 125-jährigen Parteigeschichte eine Frau zur stellvertretenden SPD-Vorsitzenden gewählt.