1934

„Zerbrecht die Ketten!“

Widerstand gegen das NS-Regime

Häftling KZ Oberer Kuhberg (1934) 

Im Zeichen von Aufrüstung und infrastruktureller Kriegsvorbereitung wird im Reich unterdessen die Arbeitslosigkeit zügig abgebaut. Sozialpolitische Neuerungen, eine staatlich geförderte und dirigierte Unterhaltungsindustrie sowie ein alles beherrschender Propagandaapparat tragen zusätzlich dazu bei, dass einem Großteil der „Volksgenossen“ der Verzicht auf Menschen- und Bürgerrechte nicht allzu schwer fällt. Ein nahezu lückenloser Überwachungs- und Terrorapparat tut sein Übriges. 

Umso höher ist es zu bewerten, wenn sich aus den Reihen ehemaliger SPD- und Gewerkschaftsfunktionäre Tausende zum Widerstand gegen das NS-Regime bereitfinden. Da die Sopade – anders als die KPD – keine Menschenleben riskieren will, muss sich dieser Widerstand allerdings weitgehend auf die Aufrechterhaltung eines parteiinternen Netzwerks sowie auf die heimliche Verbreitung verbotenen Schriftmaterials beschränken. So dient etwa die Besenwirtschaft, die der frühere Reichstagsabgeordnete Fritz Ulrich mangels anderweitiger beruflicher Alternativen in seiner Heimatstadt Heilbronn eröffnet, den Genossen der Region schon bald als geheimer Anlaufpunkt.  

Das Gros der ehemaligen Spitzenfunktionäre und Mandatsträger aber kann sich am Aufbau des inländischen Widerstands nicht aktiv beteiligen: Wer von ihnen nicht ins Ausland entkommen konnte, befindet sich in Haft, und selbst wer wieder entlassen wird, unterliegt seither strengster Überwachung. Der sozialdemokratische Widerstand muss deshalb weitgehend aus der zweiten Funktionärsreihe heraus organisiert werden. 

Anders als die KPD-Kader, die sich bereits zu Zeiten der Weimarer Republik ausgiebig in konspirativer Arbeit geübt haben, müssen die Sozialdemokraten zunächst teures Lehrgeld bezahlen, bevor ihr illegaler Apparat dem NS-Terror für geraume Zeit standzuhalten vermag. In Baden wird der sozialdemokratische Widerstand erstmals im Oktober 1934 mit der Zerschlagung der Heidelberger „Rechberg-Gruppe“ erschüttert, der sich eine größere Verhaftungswelle anschließt. Im Frühjahr 1935 folgen eine zweite und im Sommer 1936 schließlich eine dritte Verhaftungswelle. 

Kommandantur KZ Oberer Kuhberg 1934 

Sind bis dahin die Aufgaben der Verhafteten und Abgeurteilten immer und immer wieder durch nachrückende Genossen übernommen worden, so kann die Gestapo nun – 1936 – die endgültige Niederwerfung des sozialdemokratischen Widerstands in Baden und Württemberg vermelden. Die verhängten Strafmaße haben sich seit 1933 drastisch gesteigert. So wird etwa Jakob Baumann, der Organisator der dritten badischen Widerstandswelle, 1937 zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Erst im Frühjahr 1945 soll er die Freiheit wiedererlangen. 

Anders stellt sich die Situation bei der SAP dar: Hat die junge Partei vor 1933 im deutschen Südwesten nur schwach vor sich hingedümpelt, so kommt ihr nun in der Illegalität ihr kadermäßiger Aufbau ebenso zugute wie das niedrige Durchschnittsalter ihrer Mitglieder: Auch im Angesicht der Verfolgung bleibt das Gros von ihnen politisch aktiv; allein die Mannheimer Widerstandsgruppe zählt rund 90 Mitglieder. Jahrelang kann die Partei im deutschen Südwesten fast unbehelligt agieren, bevor sie schließlich 1938 doch noch enttarnt wird – zu einem Zeitpunkt also, als der Widerstand der großen Arbeiterparteien längst zum Erliegen gekommen ist.